Die vergangenen fünf Handelstage waren aus zwei wesentlichen Gründen richtungsweisend: Zum einen konnten sich China und die USA darauf verständigen, die gegenseitig verhängten Strafzölle für 90 Tage auszusetzen beziehungsweise auf deutlich niedrigere Level herabzusetzen.
Zum anderen schloss die US Regierung unter Donald Trump Verträge mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) und Saudi Arabien unter anderem über den Bau von Rechenzentren in den arabischen Ländern sowie im Gegenzug auch in den USA ab. So wird für jedes in UAE errichtete Datenzentrum im Gegenzug auch eines in den USA errichtet.
In diesem Zusammenhang erhielt Nvidia die Erlaubnis, tausende neueste KI Chips in die arabischen Länder exportieren zu dürfen, was nicht nur dem Kurs von Nvidia zu deutlichen Zugewinnen verhalft, sondern auch Unternehmen wie Taiwan Semiconductor (die unter anderem Nvidia Chips fertigen).
Insgesamt konnte eine Vielzahl von Halbleiterunternehmen von der vorübergehenden Einigung mit China und den „Deals“ mit UAE profitieren. Das führte wiederum dazu, dass KI Werte auch aus dem Software- und Energiebereich wieder gefragt waren. Beides zusammen war dann der Grund, warum der Nasdaq Composite in der abgelaufenen Handelswoche 7,1% zulegen konnte.
Als dritter wichtiger Punkt kamen in der abgelaufenen Handelswoche noch die vermeintlichen Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland hinzu. Wie erwartet scheiterten diese, hinterliessen jedoch zu Beginn der Handelswoche (als Optimisten noch an einen baldigen Waffenstillstand glaubten) in den Unternehmen aus dem Aerospace & Defense Bereich ihre Spuren: Hier kam es am Montag während des Handelstages zu teils deutlichen Kursabschlägen von über -10%.
Inwieweit sich daraus ein Favoritenwechsel ergibt, muss sich noch zeigen. Derzeit sieht es aber eher danach aus, dass die Werte aus dem Aerospace & Defense Bereich lediglich Luft für weitere Kursanstiege holen. In den USA gibt es bereits einige Werte, die neue Allzeithochs markieren.
Die Frage ist nun, wie nachhaltig sich die beiden obigen, zuerst genannten Punkte auf den weiteren Kursverlauf der Unternehmen in den USA auch in den kommenden Wochen auswirken werden. Ich gehe hier von einem bestimmten Szenario aus, ohne andere Fälle auszuschliessen.
Marktumfeld
Wenig überraschend ist das Gesamtmarktmodell für die Einschätzung des Marktumfeldes positiv. Grund ist die kurstechnische Komponente, zu sehen in Grafik 1.

Allerdings ist die Liquiditätskomponente lediglich als neutral einzustufen, da die Rendite der 10-jährigen US Staatsanleihen sich weiterhin auf relativ hohem Niveau hält und dies auch für Unternehmensanleihen hoher Bonität gilt. Vor dem Hintergrund des Hin und Hers bei den Strafzöllen ist dies kein Wunder: Nach wie vor besteht aus meiner Sicht ab Ende Mai die realistische Chance, dass KMUs (Klein- und mittelständische Unternehmen), die ihre Waren aus China beziehen (unter anderem Teile der Bekleidungsindustrie, wie auch Haushaltsartikel und Medizin) ihre Regale nicht mehr füllen können und entsprechend Pleite gehen werden. Hierauf wurde vor einer Woche an dieser Stelle bereits eingegangen.
Die Sentiment Komponente des Marktmodells ist auf neutral zurückgefallen. Nach der neuesten AAII Umfrage gibt es zwar nach wie mehr pessimistische, als optimistische Anleger, die Differenz ist aber auf unter zehn Prozent zusammengeschmolzen und daher nur noch als neutral zu bewerten (zur Erinnerung: Die Teilnehmer werden gefragt, wo sie den S&P 500 in sechs Monaten sehen).
Szenarien für die anstehende Woche
Weiterhin zu rechnen ist mit Aussagen und Drohungen von Trump zu Strafzöllen (Beispiel: „Wenn Land xy nicht dieses oder jenes tut, werden sie mit zusätzlichen Zöllen belegt“), zur Fed, wie auch zu politischen Themen (Iran, Europa).
Mit Sicherheit wird es auch immer wieder Andeutungen zu Verträgen geben, die mit Ländern vereinbart werden, um zukünftige Strafzölle zu vermeiden. Die Schweiz ist eines derjenigen Länder, die bereits kurz davor stehen, einen konkreten Handelsvertrag mit den USA auszuhandeln. Derartige Meldungen dürften dann eher positiven Einfluss auf die Aktienkurse haben.
Für das wahrscheinlichste Szenario an den US Börsen halte ich das Erreichen neuer Hochs im S&P 500 und Nasdaq Composite innerhalb der nächsten 2-3 Wochen. Mit anderen Worten: Ich bin über diesen Zeitraum bullisch bezüglich des US Aktienmarktes.
Im Laufe der Zeit dürften sich aber die noch bestehenden Strafzölle gegen Waren aus China (die teils immer noch bei 30% liegen) und auch anderen Ländern (erhobener Grundzoll von 10% auf importierte Waren, beispielsweise aus der EU), belastend auf die US Wirtschaft auswirken. Für viele Waren dürften höhere Preise unausweichlich sein. Hier muss dann abgewartet werden, wie die vorausschauende Börse reagiert.
Ein weiteres mögliches Szenario könnte so aussehen, dass nach den deutlichen Kursanstiegen der vergangenen Woche die marktbreiten Indizes zunächst einmal seitwärts tendieren und den noch bestehenden, im vorherigen Absatz erwähnten Strafzöllen direkt eine höhere Bedeutung beimessen.
Auch andere, negativere Szenarien sind natürlich möglich (beispielsweise weil China die Insel Taiwan annektiert oder der Iran-Konflikt eskaliert), aber für die kommenden Wochen eher unwahrscheinlich.
Zudem darf ein wesentlicher Punkt nicht unterschätzt werden: Trump will die Steuern deutlich senken. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich immer positiv auf die Entwicklung am Aktienmarkt ausgewirkt (wenn auch teils nur mit Verzögerung).
Offene Positionen
Für die derzeit offenen Positionen besteht kein Handlungsbedarf. Im Laufe der Woche ist es aber wahrscheinlich, dass im Falle einer positiven Kursentwicklung die Ausstiegsmarke für die eine oder andere offene Position angehoben wird.
Wichtig ist zu verstehen, dass eine weiter entfernte Ausstiegsmarke nicht bedeutet, dass mit einem Verkauf solange gewartet wird, bis die Ausstiegsmarke auch tatsächlich erreicht wird.
Mein Plan für die kommende Woche
Der Plan für die anstehende Handelswoche ist so simpel, wie seit Monaten nicht:
Einstiege erfolgen ausschliesslich in den USA, da europäische Werte bereits im Portfolio ausreichend vertreten sind und im von mir bevorzugten KI und Software Bereich keine grosse Auswahl bieten.
- Montag: Aufbau von ein bis zwei neuen Positionen. Einstieg erfolgt zum Ende des Handelstages.
- Dienstag: In Abhängigkeit vom Verlauf der Einstiege am Vortag (Montag) erfolgt der Aufbau einer weiteren Position.
- Mittwoch bis Freitag: Erhöhung des Investitionsgrades auf 100%, sofern die offenen Positionen und der breite Aktienmarkt mitspielen.
- Nach wie vor ist auch ein Pyramidisieren der offenen Positionen möglich; siehe hierzu auch die an dieser Stelle vor einer Woche angegeben Erläuterungen, inklusive Beispiel.
Die folgenden Grafiken 2 und 3 zeigen zwei Werte, die als Kaufkandidaten in die engere Wahl kommen.
In einem bis heute Abend, 21 Uhr, erscheinenden Beitrag, erhalten Mitglieder des Daily Planner Pro genaue Informationen darüber, in welche Werte ich unter welchen Bedingungen einzusteigen gedenke.


Fazit
In den kommenden Tagen dürften eher geopolitische Themen, wie der Konflikt mit dem Iran und der Ukraine/Russland Krieg, eine Rolle spielen.
Wünschenswert wären auch erste konkrete Verhandlungsergebnisse zwischen den USA und einzelnen Ländern in Sachen reziproker Strafzölle. Denn derzeit sieht es so aus, dass an dieser Front nur sehr wenig passiert (Ausnahme: Schweiz) und bereits mehr als ein Monat seit Verkündung einer 90-tägigen Aussetzungszeit verstrichen sind.
Faik Giese
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